303218. hintermtor1 schrieb am 08.01.2024 um 13:37 Uhr
Ich bin zwar auch kein Landwirtschaftsexperte, hab aber durchaus n persönlichen Bezug dazu. Und insofern kann ich die Proteste absolut nachvollziehen.
Als die DDR-LPGs damals abgeschafft wurden, war ja die Ursprungsintention noch "freie bäuerliche Kleinbetriebe zu schaffen und die planwirtschaftlich organisierten, teilweise auch unrentablen, Kolchosen zu zerschlagen". Der mit der Wende verbundene rasante technische Aufschwung hatte zudem, auch in der Landwirtschaft, einen extremen Strukturwandel zur Folge. Arbeiteten früher hier in der Gegend in 2,3hundert Einwohnerdörfern bisweilen 40,50, 60 Leute in der Landwirtschaft so sind es heute vielleicht noch 1-2.
Denn aufgrund gesellschaftlicher, politischer und globaler Veränderungen ist das absolute Gegenteil von dem passiert, was '89 vielleicht mal angedacht war.
Heute kann man nämlich nur noch überleben, umso größer man als Betrieb ist. Ich kenne Bauern die bewirtschaften heute 3,4,5 einstige LPGs und die Kredite die sie dafür aufgenommen haben, werden deren Kinder noch abzahlen müssen. Weil umso kleiner Betriebe waren, umso unrentabler wurden sie mit der Zeit, weshalb ein wirtschaftliches Überleben nur durch Vergrößerung und eine omnipräsente Verwertungskette möglich war.
Ein regionaler Landwirtschaftsbetrieb der heute überleben möchte kann das nur, wenn er nicht nur n paar Schweine und Rinder züchtet und ein paar Felder bewirtschaftet, sondern wenn da ne Fleischerei, mehrere Läden, am besten auch ein mobiler, ne Gaststätte, im besten Fall Hofladen und ne Vielfalt an Fleisch, Obst und Gemüse vorhanden. Dazu sind und waren für viele exorbitante Investitionen und exzellente Buchhalter und Subventionsexperten notwendig. Letztgenanntere wichtiger als der klassische Bauer auf dem Feld.
Alleine die Tatsache das bis vor kurzem selbst das britische Königshaus (und nicht zu knapp, neben anderen europäischem Adel) von EU-Argarsubventionen (aufgrund ihrer umfangreichen Ländereien) profitiert hat, zeigt die Absurdität und Entwicklung des Ganzen Konstrukts.
Ein weiterer einschneidender Faktor für das (auch für die Landwirtschaft entscheidende Die Großen fressen die Kleinen-Prinzip) war die Abschaffung der Flächenbindung Anfang der 2000er Jahre vom damaligen Landwirtschaftsminister Seehofer. Diese besagte, dass man nur so viele Tiere halten dürfe, wie man selbst durch eigene Flächen ernähren könnte.
Durch die Aufhebung schossen die ganzen Schweinemastanlagen (die auch dem geneigten PW-Leser bekannt sein dürften) in die Höhe. Damit ist im Übrigen auch Bauernpräsi Ruckwied zum Millionär geworden...
Faktisch führte das zur Entwertung des bäuerlichen Prozesses und zu einem komplett durchindustrialisiertem Prozess. Wo mit der Marktmacht der großen Lebensmittelhersteller wichtige Player waren. Die bestimmten den Preis und sonst niemand. Im Zeitalter der Globalisierung bekommt man überall her was man braucht. Und als Bauer musst du irgendwann deine Produkte loswerden, wie sich jeder denken kann.
Und ich konnte jeden Bauer verstehen der sich gesagt hat, für 6 Euro Nettoverdienst füttere ich kein Schwein mehr.
Entsprechend ist es heute so, dass heute die Kleinen und Mittelständischen (obwohl diese Begriffe im Verhältnis zu den DDR-LPGs maßlos untertrieben sind) dir ständig die Kredite im Nacken sind, du auf er anderen Seite aber auch ständig gucken muss, wie du deine Ware unter die Leute kriegst.
Entsprechend ist jeder der sich heute als Kleinbauer versucht komplett verrückt sich in diesem Metier durchzuschlagen. Da is nix mit Urlaub. Da ist 24/7 harte Arbeit physisch wie im Kopf angesagt, dafür das es grade so zum Überleben reicht. Wir wissen alle wer bei Ricken die Felder abpflückt und warum...
Und auch wenn der Schweinefleischkonsum in Deutschland eingebrochen ist, verkauft Tönnies halt nach China oder Südostasien. Da steigt er. Wo wiederum die Sache mit der CO2 Bilanz wäre, aber das ist wieder n anderes Thema...
Apropos CO2-Bilanz. Ich denke viele Bauern haben (im Verhältnis zum dem was sie an existenziellem, nämlich Essen und Trinken, produzieren) ne niedrigere CO2 Bilanz als viele selbstgerechte Leute in "staatlich subventionierten" Arbeitszweigen (zu denen ich mich auch selbst zählen würde). Weil sie es sich schlicht nicht erlauben können in den Urlaub zu fliegen.
Entsprechend ist (gerade umso kleiner dein Betrieb ist) die Dieselsubvention für viele essentiell. Fragt mal Leute die in nem Landwirtschaftsbetrieb arbeiten. Ich kenne niemanden der da tauschen will.
Daher kann ich die Proteste verstehen, weils kontinuierlich beschissener wird und die Politik endlich wieder das Verständnis für die Belange der Basis entwickeln muss! Selbstgerechtigkeitsattitüden, Realitätsferne, fehlende Erkenntnis komplexer Zusammenhänge, falsche Schwerpunkte und Themen und vor allem Opportunismus und Unwille an notwendigen elementaren Veränderungen führen zu derartiger gesellschaftlicher Unzufriedenheit.
Selbstverständlich ist es scheiße wenn das zu Übergriffen oder Zwängen führt (auf wen auch immer!), wofür ich auch kein Verständnis habe, aber es zeigt umgekehrt auch, wie derbe aufgeladen die Stimmungslage ist. Das da immer auch die Extremen profitieren ist leider auch so und deshalb gefährlich. Daher muss endlich wieder eine realitätsnahe Auseinandersetzung stattfinden. Sonst wirds derbe düster hier.
Als die DDR-LPGs damals abgeschafft wurden, war ja die Ursprungsintention noch "freie bäuerliche Kleinbetriebe zu schaffen und die planwirtschaftlich organisierten, teilweise auch unrentablen, Kolchosen zu zerschlagen". Der mit der Wende verbundene rasante technische Aufschwung hatte zudem, auch in der Landwirtschaft, einen extremen Strukturwandel zur Folge. Arbeiteten früher hier in der Gegend in 2,3hundert Einwohnerdörfern bisweilen 40,50, 60 Leute in der Landwirtschaft so sind es heute vielleicht noch 1-2.
Denn aufgrund gesellschaftlicher, politischer und globaler Veränderungen ist das absolute Gegenteil von dem passiert, was '89 vielleicht mal angedacht war.
Heute kann man nämlich nur noch überleben, umso größer man als Betrieb ist. Ich kenne Bauern die bewirtschaften heute 3,4,5 einstige LPGs und die Kredite die sie dafür aufgenommen haben, werden deren Kinder noch abzahlen müssen. Weil umso kleiner Betriebe waren, umso unrentabler wurden sie mit der Zeit, weshalb ein wirtschaftliches Überleben nur durch Vergrößerung und eine omnipräsente Verwertungskette möglich war.
Ein regionaler Landwirtschaftsbetrieb der heute überleben möchte kann das nur, wenn er nicht nur n paar Schweine und Rinder züchtet und ein paar Felder bewirtschaftet, sondern wenn da ne Fleischerei, mehrere Läden, am besten auch ein mobiler, ne Gaststätte, im besten Fall Hofladen und ne Vielfalt an Fleisch, Obst und Gemüse vorhanden. Dazu sind und waren für viele exorbitante Investitionen und exzellente Buchhalter und Subventionsexperten notwendig. Letztgenanntere wichtiger als der klassische Bauer auf dem Feld.
Alleine die Tatsache das bis vor kurzem selbst das britische Königshaus (und nicht zu knapp, neben anderen europäischem Adel) von EU-Argarsubventionen (aufgrund ihrer umfangreichen Ländereien) profitiert hat, zeigt die Absurdität und Entwicklung des Ganzen Konstrukts.
Ein weiterer einschneidender Faktor für das (auch für die Landwirtschaft entscheidende Die Großen fressen die Kleinen-Prinzip) war die Abschaffung der Flächenbindung Anfang der 2000er Jahre vom damaligen Landwirtschaftsminister Seehofer. Diese besagte, dass man nur so viele Tiere halten dürfe, wie man selbst durch eigene Flächen ernähren könnte.
Durch die Aufhebung schossen die ganzen Schweinemastanlagen (die auch dem geneigten PW-Leser bekannt sein dürften) in die Höhe. Damit ist im Übrigen auch Bauernpräsi Ruckwied zum Millionär geworden...
Faktisch führte das zur Entwertung des bäuerlichen Prozesses und zu einem komplett durchindustrialisiertem Prozess. Wo mit der Marktmacht der großen Lebensmittelhersteller wichtige Player waren. Die bestimmten den Preis und sonst niemand. Im Zeitalter der Globalisierung bekommt man überall her was man braucht. Und als Bauer musst du irgendwann deine Produkte loswerden, wie sich jeder denken kann.
Und ich konnte jeden Bauer verstehen der sich gesagt hat, für 6 Euro Nettoverdienst füttere ich kein Schwein mehr.
Entsprechend ist es heute so, dass heute die Kleinen und Mittelständischen (obwohl diese Begriffe im Verhältnis zu den DDR-LPGs maßlos untertrieben sind) dir ständig die Kredite im Nacken sind, du auf er anderen Seite aber auch ständig gucken muss, wie du deine Ware unter die Leute kriegst.
Entsprechend ist jeder der sich heute als Kleinbauer versucht komplett verrückt sich in diesem Metier durchzuschlagen. Da is nix mit Urlaub. Da ist 24/7 harte Arbeit physisch wie im Kopf angesagt, dafür das es grade so zum Überleben reicht. Wir wissen alle wer bei Ricken die Felder abpflückt und warum...
Und auch wenn der Schweinefleischkonsum in Deutschland eingebrochen ist, verkauft Tönnies halt nach China oder Südostasien. Da steigt er. Wo wiederum die Sache mit der CO2 Bilanz wäre, aber das ist wieder n anderes Thema...
Apropos CO2-Bilanz. Ich denke viele Bauern haben (im Verhältnis zum dem was sie an existenziellem, nämlich Essen und Trinken, produzieren) ne niedrigere CO2 Bilanz als viele selbstgerechte Leute in "staatlich subventionierten" Arbeitszweigen (zu denen ich mich auch selbst zählen würde). Weil sie es sich schlicht nicht erlauben können in den Urlaub zu fliegen.
Entsprechend ist (gerade umso kleiner dein Betrieb ist) die Dieselsubvention für viele essentiell. Fragt mal Leute die in nem Landwirtschaftsbetrieb arbeiten. Ich kenne niemanden der da tauschen will.
Daher kann ich die Proteste verstehen, weils kontinuierlich beschissener wird und die Politik endlich wieder das Verständnis für die Belange der Basis entwickeln muss! Selbstgerechtigkeitsattitüden, Realitätsferne, fehlende Erkenntnis komplexer Zusammenhänge, falsche Schwerpunkte und Themen und vor allem Opportunismus und Unwille an notwendigen elementaren Veränderungen führen zu derartiger gesellschaftlicher Unzufriedenheit.
Selbstverständlich ist es scheiße wenn das zu Übergriffen oder Zwängen führt (auf wen auch immer!), wofür ich auch kein Verständnis habe, aber es zeigt umgekehrt auch, wie derbe aufgeladen die Stimmungslage ist. Das da immer auch die Extremen profitieren ist leider auch so und deshalb gefährlich. Daher muss endlich wieder eine realitätsnahe Auseinandersetzung stattfinden. Sonst wirds derbe düster hier.